27 Juni, 2006

Optimismus = vollkommen überbewertet

Das hat man davon, wenn man optimistisch in den Tag startet: man steht im Regen. Wortwörtlich. Und zwar im Rock und mit einem hellen Oberteil. Aber dafür ohne Regenschirm. Dazu nehme man weiterhin Morddrohungen von der Kollegin, die man heute Morgen dazu überredet hat, doch nicht mit dem Auto zu fahren, sondern mit dem Fahrrad, und die ebenfalls eher leicht geschürzt unterwegs ist, und zu guter Letzt die absolute Notwendigkeit, nach der Arbeit noch in die Stadt zu fahren (weil ich so eine vorbildliche Freundin bin!), und der Tag ist gelaufen.
Aber auch ohne Regen ist das einer dieser Tag heute. Ich mache Urlaubsvertretung für eine Kollegin, und die hat uns kaum den Rücken zugekehrt (sprich: sitzt im Flieger und ist auch zur telefonischen Schadensbegrenzung nicht zu erreichen), da bricht bei ihrem wichtigsten Kunden auch schon alles zusammen--- und zurück bleibe ich mit einigen eher kryptischen Anweisungen, die sie in den Aufträgen hinterlassen hat (da hat jemand zu oft "Da Vinci Code" gesehen!) und nicht nur ich, sondern auch sonst keiner versteht. Und bei allen anderen Leuten hier ist genauso Holland in Not, die rennen mit dem gleichen gehetzten Gesichtsausdruck durch die Flure wie ich. Meine Gemütslage pendelt jedenfalls irgendwo zwischen Panik und hysterischer Heiterkeit (hat jemand mal Kalkofe's Mattscheibe gesehen, wo er diese Dame vom Shoppingsender nachmacht, die anscheinend nicht nur einen Goldring verschlampt, sondern auch mal wieder ihre Tabletten nicht rechtzeitig genommen hat? Ha ha ha ha ha ha ha ha, und wenn ich hier rauskomme, dann bring' ich euch alle um, ha ha ha ha ha ha ha!).
Da hilft es auch nicht wirklich, daß unsere Abteilung ein wahres Minenfeld für fastende Menschen ist: im Kühlschrank liegen Mini-MilkyWays, von meinem Platz aus blicke ich ständig auf die göttlichen Mini-Cookies vom Plus, und die Karamellbonbons in Büro 3 kann ich geradezu riechen... und keiner opfert sich und ißt sie, weil alle auf ihre Bikinifigur hinarbeiten und eiserne Disziplin an den Tag legen. Normalerweise lasse ich mich ja von sowas nicht anstecken, aber momentan bin ich selber mal auf dem "Mäßigungs"-Trip. Was bedeutet, daß ich schon seit Mo-na-ten (naja, gut... seit einer knappen Woche) streng auf Süßigkeiten, Chips und andere "unnötigen" Nahrungsmittel verzichte und somit spätestens jetzt ein überaus freudloses Dasein führe. Kein Sex, keine Chips, keine Schokolade (das bei Anita war Champiolade, keine Schokolade!) ... das ist nicht schön. Zum Ausgleich gehe ich joggen, damit ich dann nachts zu müde bin, um im Bett noch an Chips zu denken. Die Rechnung geht nicht wirklich auf- ich bin zwar todmüde, kann aber nicht einschlafen, weil mein Magen zu laut grummelt, und dann fang‘ ich an zu sabbern, weil ich daran denke, daß ich ihn mit Chips zum Schweigen kriegen könnte... ich wiederhole, ein freudloses Dasein (noch dazu, weil Lena es mir persönlich übelnimmt, daß ich 25 Minuten am Stück Laufen kann und sie angeblich nicht, und sie deswegen kurz davor steht, mir die Freundschaft zu kündigen). Aber am schlimmsten ist ... der Futterneid! Oder besser gesagt- das Gegenteil davon. Alle hier im Büro schielen natürlich auf die ganzen Leckereien, aber keine will diejenige sein, die als erste nachgibt. Und sich heimlich daran bedienen geht auch nicht, weil sich alle gegenseitig belauern, und es ist erstaunlich, wie sensibel hungrige Ohren auch auf das leiseste Rascheln reagieren. Ich bin mir sicher, sobald eine von uns dann letzten Endes doch der Versuchung widersteht, gibt es eine Kettenreaktion- alle stürzen sich SOFORT auf die Süßigkeiten und prügeln sich darum- unschöne Szenen, die eher an "Affenfelsen Kölner Zoo" als an "Vertriebsabteilung MFB" erinnern.
Trotzdem- ich bin stolz auf mich, daß ich bis jetzt so vorbildlich durchgehalten habe (ich wiederhole, das am Samstag war Champiolade! und außerdem bin ich am Freitag insgesamt 80 Kilometer Rad gefahren, also bitte!)! Ich trage heute meine engste Jeans, und, nun ja, ich würde nicht so weit gehen zu sagen, daß sie an meinem Körper schlackert, aber... ich kann mich in ihr hinknien, ohne daß die Nähte unter der Belastung verdächtige Geräusche von sich geben und mir unterhalb der Knie die Blutzufuhr unterbunden wird. Ist doch schon mal etwas.

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