07 Mai, 2017

Das Grauen hat einen Namen...

... und er lautet 

"Onlinedating".

Eigentlich wollte ich diesen Beitrag schon vor über einem Monat posten, habe ihn aber dann vergessen und hole das hiermit nach. Vor 10 Jahren hätte ich zu diesem Thema schon 15 Beiträge geschrieben- Material hätte es in den letzten 12 Monaten genug gegeben. Statt dessen gibt es zeitlich bedingt jetzt nur eine Zusammenfassung.

Da gibt es zum Beispiel diese zahlungspflichtige Datingseite, die einen Algorithmus entwickelt hat, welcher bestimmt, wer zu mir passt und eine entsprechende Vorauswahl trifft. Was kann da schon schiefgehen? Die Parship-Frau, die sich mich am besten eignet, hat ganze 3 Sätze in ihrem Profil stehen: 1.) Sie mag nicht: Krieg, Gewalt und Lügen. Seriously? Übersetzt heißt das „ich bin kein Soziopath“. Das ist beruhigend, verdient aber auch keinen Extrapunkt. 2.) Der Tag ist für sie perfekt, wenn sie neben mir aufwacht. Frau, ehrlich, an einem Montag Morgen um 6 neben mir aufzuwachen- bitte leg die Latte für Deinen perfekten Tag doch ein bißchen höher, weil DAS. ist. TRAURIG. Und 3.) Sie würde niemals: „Nie sagen“ Gratuliere, Du meine angebliche Parship-Traumfrau: Dein Profil deckt sich mit 95 % aller anderen Parship-Userinnen. Laut Parship ist meine perfekte Frau also eine Langweilerin ohne Ecken und Kanten. Oh, und unter "Musik" steht: Schlager. Nur Schlager. Hallo, Suizidgedanken.

Und dann gibt es da noch die kostenlose Dating-Seite nur für Lesben, auf der sich alles tummelt. Und hier und da sogar ein paar Lesben! Und hey, ohne eingebildet rüberkommen zu wollen, ich bin da der heiße Scheiss. Kein Tag ohne Nachricht! Von Profilen mit ohne Foto und mit ohne Aussage, und die Nachricht besteht aus "Hey!“ (manchmal auch kleingeschrieben, alternativ mit Punkt statt Ausrufezeichen, manchmal auch gänzlich ohne Satzzeichen, und -ganz aktuell- auch einmal ganz ohne hey). Damit scheint wohl alles gesagt. Ich frage mich manchmal vage, was wohl passieren würde, wenn ich ebenfalls mit "Hey“ antworten würde- krücken wir uns dann weiter einsilbig durch die Unterhaltung? Danke, aber nein danke.

Doch fürchtet Euch nicht, es gibt sie ja doch: die paar Profile, die ein bißchen was aussagen und neugierig machen. Also schreibt man sich. Manchmal verödet das nach 2, 3 Mal hin und her, und das ist total okay. Manchmal bleibt aber das Interesse bestehen- und dann fangen die eigentlichen Probleme an. Wann geht man den Schritt aus der bequemen Chatterei und schlägt ein Treffen vor? Man will ja a) nicht verzweifelt erscheinen, und b) erstmal abklopfen, ob man denn überhaupt kompatibel ist. Und da liegt sowohl der Haken als auch der Hase im Pfeffer (und der Hund ist auch noch da begraben.), zumindest für mich. Ich weiß nicht, ob es anderen Onlinedatern genauso geht, aber: mit jeder Mail, die ich erhalte, formt sich ein Bild von der Person. Je mehr ich lese, desto fester und genauer dieses Bild. Und dann kommt es, das Treffen. Und nach einem Monat glänzender Hin- und Herschreiberei stellt man fest- die Frau ist ja ganz anders als die Frau in meinem Kopf! Das ja frech. Und es funkt so absolut rein gar nicht. Bisher war jedes Treffen mit einer Onlinefrau sehr nett (immerhin- meine damaligen Blind Dates mit Männern waren schlimmer, ich hatte mal eins hier schriftlich festgehalten), aber mehr auch nicht. Himmelherrgott, was für eine Zeitverschwendung.

Einmal allerdings gab’s zumindest abschließend was zu lachen. Die Frau, für die es kein Zufall war, daß wir uns online getroffen haben, die immer wieder -gänzlich unsarkastisch!- von Schicksal schrieb und einmal gar von "göttlicher Vorsehung“ (I kid you not), die mich ständig krass anflirtete, die sich nach dem ersten Telefonat um 11 Uhr abends in Frankfurt in ihr Auto setzen und die A3 nach Rheinbreitbach herunterbolzen wollte, und die überhaupt gefühlt kurz davor war, mir einen Heiratsantrag zu machen. Und die mir keine 5 Minuten nach der Verabschiedung (ja, es hat ein Treffen gegeben- ich musste bei ihr um die Ecke mein neues Auto abholen und kam aus der Sache trotz mittlerweile lautstarken Alarmglocken nicht mehr raus) die Nachricht schickte, es hätte ja nun doch nicht so gefunkt und wir könnten ja Freunde sein. Ich musste so lachen, daß ich um ein Haar mein neues Auto in die Leitplanke gesetzt hätte- und auf jeden Fall habe ich gelernt, daß man sich viel Peinlichkeit erspart, wenn man jegliche Flirterei großräumig umschifft, solange man sich nicht mal live gegenübergestanden hat.

Also halten wir fest: es ist ein schmaler Grat zwischen "schreiben" und "zu viel schreiben". Und zu früh nach einem Treffen fragen schreckt ab. Ich komme zu dem Schluss, daß alle Leute, die ihren Beziehungsstatus mit „es ist kompliziert“ angeben, Onlinedating meinen.

Meine Schlussfolgerung: ich hasse es, es ist einfach nicht meins, und da riskiere ich lieber, auf ewig Single zu bleiben (die Erfolgsaussichten in der freien Wildbahn hatte ich ja hier schon mal berechnet, und die waren sogar als Heterozeiten eher ungeil. Außerdem: vor die Tür gehen. Grässlicher Gedanke.). Also habe ich gekündigt. Und zwar genau 3 Tage nach Ablauf meiner Kündigungsfrist, und bleibe Parship nun doch noch erhalten.

Nichtsdestotrotz, eine Lanze (genauer gesagt: 3) muss ich trotzdem für dieses seltsame Onlineding brechen.
  1. Ich habe es immerhin nur mit Frauen zu tun und insofern blieben mir wüste Beschimpfungen, wie sie eine mir nahestehende Heterosinglefrau schon mal von einem zurückgewiesenen Herrn erhalten hat (dumme Fotze, potthässlich, blöde Scheisshure), erspart. Das Schlimmste, was mir zugedacht wurde, war "Rechtschreibnazi". War als Beleidigung gedacht, aber wer mich kennt kann sich vorstellen, dass das runterging wie Öl. 
  2. Ich habe tatsächlich ein paar Bekanntschaften gemacht, die zumindest platonisch eine echte Bereicherung für mein Leben sind und sich zu Freundschaften entwickelt haben, die ich nicht mehr missen will. 
  3. Ich kenne Leute, die ihre Partner und Partnerinnen sehr wohl im Netz kennengelernt haben und bei denen es geklappt hat. 
Also, wer weiß. Aber meins ist es nicht, also verschönert noch bis März 2018 eine komplett leere Profilseite das Parship-Portal.