29 Juni, 2015

Kinder müssen draußen bleiben

Seit einer Woche bin ich nach 1,5-jähriger Abwesenheit wieder bei Facebook unterwegs, und jetzt bekomme ich nicht nur mit, wer wann wo mit wem was gegessen hat, sondern auch: den Aufreger der Woche. Hurra!

Da ich ja momentan allem ein bißchen hinterherhinke, spreche ich jetzt über den Aufreger von vorletzter Woche. Der Biergarten! Ja, der in Düsseldorf, der jetzt nicht nur Hunde diskriminiert, sondern auch *gasp* KINDER! Unsere lieben Kleinen! Ich bin empört! Ach nee, Moment mal- bin ich ja gar nicht. Zum Einen finde ich es tatsächlich irgendwie lustig, alleine schon das Schild.

 
Und Kinder sind auch elendiglich nervig- ich spreche da aus Erfahrung. ICH würde das Hausverbot allerdings eher auf die Eltern beziehen. Meine Tochter isst Eis mit Ganzkörpereinsatz und ist bei und nach dem Essen eine Gefahr für alles, was mit ihr auch nur ansatzweise in Kontakt kommt. Daß ich da was abkriege ist quasi Berufsrisiko, aber warum muß ich das zum Problem der anderen machen, indem ich die kleine Dreckschleuder so rumlaufen lasse? Steine und Sand schmeißen? Auch okay, aber doch bitte nicht auf andere Gäste. Und wenn dann doch mal sowas passiert, was realistisch gesehen über kurz oder lang bei niemandem ausbleibt, dann kommt es auf die Reaktion der Eltern an: Entschuldigung beim Betroffenen, bei verdreckten Klamotten das Angebot, die Reinigungskosten zu übernehmen, und das Zusammenfalten des Kindes. Alles andere ist -kann man gar nicht anders sagen- asozial. 

Leider sind, das kann man leider gar nicht anders sagen, manche Eltern mittlerweile ebendies- asozial. Die wollen in Ruhe essen und trinken, und wenn die kleine Zuckermaus gerade mit seinen Schokoeispatschern die Sitzfläche vom Stuhl verschönert, dann hurra, Marie-Claire drückt sich kreativ aus! Wie schön. Und Steine schmeißen, ja, meine Güte, der Luca bewegt sich halt gern. Ja, richtig gelesen: solche Sachen werden nämlich nicht nur von Dschayden, Dscherome und Dschacqueline's Eltern aus Tannenbusch toleriert, sondern auch von wohlsituierten, (man sollte meinen) gebildeten Eltern. Er in Camp David, sie in Superdry (kleine Nebenfrage: ist Abercrombie & Fitch schon langsam auf dem absteigenden Ast oder kommt mir das nur so vor?), und beide mit der Einstellung: wir sind zahlende Gäste, dann brauchen wir uns auch nicht zu benehmen. Und erzogen wird der Goldspatz ja schließlich im englischen Montessori-Kindergarten, das reicht. Man kann sich auch nicht um jeden Scheiss kümmern.

Nun versteht mich nicht falsch: die meisten Eltern (ungeachtet ihrer Klamotten) sorgen auch dafür, daß ihre Kinder sich in der Öffentlichkeit benehmen, und Kinder dürfen und sollen auch laut sein und sich austoben. Aber ich habe schon den Eindruck, daß die Asis zunehmen, denen es egal ist, daß ihre Kinder die anderen Gäste belästigen. Vielleicht ist ihnen nur nicht klar, daß fremde Leute ihre Kinder nicht unbedingt so bezaubernd finden wie sie selbst, und daß gerade Nicht-Eltern auch nicht so abgehärtet sind, was solche Dinge angeht. Unter'm Strich ist das Ergebnis aber das Gleiche: die Kinder werden ebenso zu einem Nervfaktor wie schlecht erzogene Hunde, die bellen und fremde Hosenbeine vollsabbern.

Ich habe also Verständnis mit dem Wirt, finde es aber schade, daß er gleich zu solch drastischen Mitteln gegriffen hat. Vielleicht hätte es gereicht, Eltern darauf hinzuweisen, daß sie entweder gefälligst auf ihre Sprößlinge achten sollen oder Hausverbot bekommen. Dann hätten sich zwar trotzdem noch genug Eltern aufgeregt, es hätte aber nicht so pauschal alle getroffen.


27 Juni, 2015

Ich will zurück in's Mittelalter!

Ja, will ich. Und zwar nicht, weil da alles besser war, SO weit würde ich nicht gehen angesichts von Pest, Inquisition, Kriegen, Hexenverbrennungen und der Ius primae noctis (jetzt mal ehrlich, es ist doch ein Wunder, daß nur die Franzosen jeden Adeligen geköpft haben, den sie in die Finger bekommen konnten). Und meine Lieblingschips gab es da auch noch nicht- nüchtern betrachtet war das Mittelalter also eher kacke ("Muss ein König sein. Weil er noch nicht völlig mit Scheisse überzogen ist.").

Aber eine Sache war auf jeden Fall besser: dieses ganze Ding mit dem Kinder-Großziehen.

Heute ist das in den allermeisten mir bekannten Fällen wie folgt: die Muddi legt ihren Job erstmal für ein paar Jahre auf Eis und bleibt zuhause, weil sie in der Regel weniger verdient als Vaddi (was nochmal ein ganz anderes Thema ist, zu dem ich ebenfalls einiges zu sagen hätte), und kümmert sich aufopferungsvoll um die Brut. Die lieben Kleinen wollen getragen, beschmust und an die frische Luft (aber nur ja nicht in die Sonne!) gebracht, überquellende Windeln müssen gewechselt, die Spielumgebung soll sicher, altersgerecht, abwechslungsreich und interessant gestaltet, die Nahrung soll aus gesunden, regionalen und saisonalen Zutaten selbst frisch zubereitet werden. Und weil Muddi eh zuhause ist und nichts zu tun hat außer dem bißchen Kinderbespaßung, macht sie das bißchen Wäsche, Aufräumen, Spülen, Putzen, Kochen, Müll runterbringen, Staub wischen und Einkaufen auch gleich mit. Aber aufgepasst: jetzt bloß kein langweiliges Hausmütterchen werden, das womöglich nicht mehr auf ihr Äußeres achtet! Die Bezahlung... naja, das gesetzlich zugesicherte Grundgehalt besteht im ersten Jahr noch aus ca. 65 % von dem was man vorher verdient hat + ungefähr 184 € Kindergeld, in jedem weiteren Jahr besteht es aus 184 € Kindergeld + dem auf das man sich mit Vaddi einigen kann. Auf jeden Fall weniger Geld als vorher, bei gleichzeitigem Anstieg von 40 auf ca. 160 Wochenstunden (7 Tage nächtlichen Bereitschaftsdienst eingerechnet) und einem Absinken der Urlaubstage von durchschnittlich 28 auf 0.

Im Mittelalter war es so: Muddi in spe zieht nach der Hochzeit (und nach einem kurzen Umweg über das Bett des Grundherren) zu Vaddi in spe und dessen Familie. Um die Existenz zu sichern arbeitet sie auch mit Kind noch weiter in ihrem alten Beruf, was deswegen kein Problem ist, weil das erstens alle machen und zweitens zuhause immer irgendeine Tante oder Oma ist. Kinderbetreuung gesichert, Muddi kommt mal vor's Loch und hat obendrein noch das Gefühl nützlich zu sein (Oma übrigens auch).

Klar liebe ich meine Kinder, und natürlich gibt es haufenweise Momente, die ich in den ersten beiden Jahren nicht hätte verpassen wollen- aber wenn man mir anbieten würde, ich könnte jeden Tag ein paar Stunden arbeiten und die Miniterroristen wären in der Zeit zuhause mit Leuten, die sie kennen und lieben? Eine bessere Situation könnte ich mir gar nicht vorstellen. Leider ist das nur in den wenigsten Fällen möglich. Zumindest im ersten Jahr haben die meisten Frauen kaum noch Kontakt zu Nicht-Müttern, und so nett diese größtenteils auch sind, den Gesprächsthemen in Krabbelgruppen und auf Spielplätzen mangelt es auf Dauer an Originalität. "Was geht oben rein und kommt unten raus" dominiert die ersten 6-8 Monate, danach beginnt der Wettlauf um die Meilensteine der Grobmotorik, und sind die ersten Schritte gemeistert folgt der Ansturm auf die ersten Zweiwortsätze. Gespräche über Dinge, die einem früher (als "normaler Mensch") noch wichtig waren: Fehlanzeige. Als hätte man mit Ankunft der lieben Kleinen seine Hobbies an den Nagel gehangen, keine Bücher mehr aufgeschlagen, keine CD mehr eingelegt (ja, ich höre noch CDs) und würde einfach nur noch als Mutter existieren. Ich hätte nie gedacht, daß die spannendste Zeit meines Lebens gleichzeitig auch so langweilig sein würde.

Und dann aber doch so stressig, daß jede Mutter, die ich kenne, sofort zugibt, daß ihr früherer Job dagegen ein Spaziergang war ("Wenn du Ruhe haben willst musst du arbeiten gehen."). Klar, stressige Jobs gibt's überall, aber erstens hat man bei denen immer noch Urlaub und Wochenende, zweitens sind die anständiger bezahlt (naja, Krankenschwester u. ä. nicht- noch so'n Thema...) und drittens -und vielleicht am wichtigsten- man bekommt bei denen Anerkennung für die erbrachte Leistung.

Ja, ich weiß, was soll das Rumgeheule? Ich hab die Kinder doch schließlich gewollt. Verdammt richtig, und ich habe auch in der miesesten Schreibaby-Zeit nicht ein einziges Mal gedacht: "Kacke, hättste doch mal lieber weiter die Pille genommen." Aber manchmal wäre ein bißchen Mittelalter halt doch ganz willkommen.