06 August, 2012

4 Wochen - ein Statusbericht

Genau 4 Wochen, 14 Stunden und 39 Minuten ist es her, da ich die liebliche Stimme unserer Tochter zum ersten Mal vernahm. Tja, was ist seitdem passiert? Eins kann ich vorwegnehmen: die Freude über die liebliche Stimme konnten wir nach der Geburt in dem Maße so nicht mehr reproduzieren...
  • Jan und ich haben eine neue Zeitrechnung eingeführt- dieses olle 24-Stunden-Ding, nach dem der Rest der Welt tickt, ist out, gerechnet wird in unseren vier Wänden nur noch in Fläschchenintervallen.
  • Wir haben unser Kosenamen-Repertoire, das anfangs nur aus "Maus", "Mäuschen", "Krümelchen" und "Kanönchen" (Jan hat sich mir ihr am ersten Tag zuhause einen Pups-Contest geliefert und hat schmählich verloren) bestand, erweitert um "Streuselchen" (ihre Haut hatte ein wenig unter der Hitze zu leiden), "Mäuseterrorist" und "Terrorkrümel".
  • Wir sind nun bestens vertraut mit Vokabeln wie "Pucken". Ich wage die Behauptung, daß 98 % der kinderlosen Bevölkerung keine Ahnung hat, was das ist, was mir jetzt gerade sehr seltsam vorkommt, denn für uns war es ein riesiger Schritt in Richtung Freiheit. (dazu später mehr)
  • Wir haben gelernt, uns und unser näheres Umfeld großflächig während und nach den Fläschchenmahlzeiten in Spucktüchern zu drapieren- es ist wirklich erstaunlich, welche Reichweite so ein Säugling mit einer Milchfontäne hat, würde man nie vermuten!
  • Und wir warten noch immer auf die Lieferung der Bedienungsanleitung, wobei wir die meisten Kapitel zwar überspringen könnten, aber an den Kapiteln "Hanna einschläfern in unter 45 Minuten" und "Wie sorgt man dafür, daß sie in der Wiege auch länger als 30 Minuten schläft" doch extrem stark interessiert sind. 
Womit wir bei unserem Hauptthema wären- die Schlafgewohnheiten unserer Tochter. In den ersten 2,5 Wochen hat Hanna ausschließlich auf einem unserer Bäuche geschlafen und hat angefangen zu weinen, sobald wir sie alleine irgendwo ablegen wollten. Da sie komplett heisergeschrien aus dem Krankenhaus gekommen war und wir ihr und uns jegliches Weinen ersparen wollten (schon mal ein heiser geweintes Baby gehört?) hatte das zur Folge, daß ständig einer von uns in Beschlag genommen war und wir nichts mehr auf die Reihe bekommen haben. Gar keine Frage- es ist wirklich ganz, ganz süß anzusehen, wie so ein Paketchen auf einem liegt und schläft; und es ist natürlich auch ebenso süß, wenn man sich vor Augen hält, daß es für sie halt keinen schöneren, sichereren Platz gibt als uns. Nichtsdestotrotz ist es schon ätzend, wenn man jedes Mal auf das andere Elternteil warten muß, wenn man mal so ausgefallene Dinge verrichten möchte wie auf's Klo zu gehen, etwas zu essen oder sich ein Glas Wasser zu holen. Gut, im Gegenzug hat das durchaus auch Vorteile: meine Blase hat in Rekordzeit wieder zu ihrer vorschwangerschaftlichen Kapazität zurückgefunden und ich war dank Mangelernährung nach nur 3 Wochen fast wieder bei meinem Normalgewicht, und das trotz der Unmengen an Fertiggerichten, Pizzaservice und McDonald's, die wir uns neuerdings antun (denn an den meisten Tagen hat's dann doch nur für ein Brötchen gereicht). Oh, und ich kann momentan so ziemlich in jeder Position schlafen, selbst mit Baby auf dem Bauch (solange gewährleistet ist, daß auf allen Seiten genug Couch ist, so daß sie nicht runterrollen kann).

Aber manche Probleme erledigen sich anscheinend dann doch von allein- gerade, als wir so langsam wirklich die Nase voll und schon Horrorvisionen von Hanna hatten, wie wir sie am Tag ihres 18. Geburtstages vor die Tür setzen mit den Worten "Such dir einen anderen Bauch, auf dem du schlafen kannst!" hat sie begonnen, unsere Bäuche nicht mehr ganz so gemütlich zu finden. Vielleicht weil sie gewachsen ist, vielleicht weil das Wetter schön wurde und 24 Stunden Körperkontakt in unserer 28° warmen Dachgeschosswohnung nun doch auch für sie nicht mehr so das Nonplusultra war- egal warum, Hanna mußte und wollte irgendwie auch anders schlafen. In your face, Alle-Leute-die-gesagt-haben-wir-müßten-sie-auf-Biegen-und-Brechen-in's-Bett-packen-weil-wir-sie-sonst-verwöhnen-würden! Auf dem Bauch schlafen ist aber ohne Aufsicht verboten (plötzlicher Kindstod), und sie auf dem Rücken schlafen zu lassen war auch nicht vom Erfolg gekrönt. Hatte man sie nach einer 3/4 Stunde intensiven Einschläferungsprogramm soweit, daß ihre Augen zufielen, hieß es "Hallo, Moro-Reflex!": Hanna erschrickt sich (ohne jeden äußeren Grund), fuchtelt mit Armen und Beinen und pling! ist sie durch die eigene Bewegung wieder hellwach. Die Lösung hieß "Einpucken", für Laien: das enge Einwickeln in ein Tuch, so daß sich die Babies nicht mehr wachfuchteln können und sich außerdem beruhigen, weil die Enge sie an die Zeit im Bauch erinnern. Ergänzt wurde das Einpucken durch die Einschläfer-Maßnahmen "Shh-Laute machen" (simuliert das Geräusch des Blutrauschens im Bauch- dies wurde später perfektioniert und ersetzt durch "Föngeräusche vom Handy abspielen", nachdem ich nach einem 45-Minuten-Shhh-Marathon ohnmächtig vom Stuhl gerutscht bin), "das lustige Schnuller-Spiel" (ausgespuckten Schnuller einfangen und wieder an seinen Bestimmungsort verfrachten), "Fang den Fuß" (auch im Pucktuch kann Hanna super mit den Füßen strampeln) und "Wiege-Wackeln", und tadaa!, nach nur einer Dreiviertelstunde schlief das Kind auf dem Rücken in seiner Wiege. Triumph! Freiheit! Klogänge für alle! Oft genug reicht es dann aber tatsächlich nur für einen Klogang, bevor sie wieder aufwacht, und das sind dann so die Momente, wo man je nach Laune, Charakter und Hungerlevel entweder weinen, schreien oder das Kind aus dem Fenster werfen möchte. Da aber vor allem Letzteres in unserer Gesellschaft eher kritisch beäugt wird und die ersten beiden Möglichkeiten auch nichts an der Situation ändern würden bleibt einem nichts anderes übrig, als a) sich resigniert wieder an die Babybespaßung zu machen, oder aber b) dies dem anderen Erziehungsberechtigten zu überlassen, um dessen Nervenkostüm es in dem Moment möglicherweise besser bestellt ist.

Eine ganz andere Methode probiere ich gerade in diesem Moment aus: ich habe etwas von Reizüberflutung bei Babies gelesen und beschränke die Einschläfermethoden jetzt auf das Notwendigste, nämlich Pucktuch und Schnuller. Die anderen Maßnahmen werden je nach Bedarf zugeschaltet und nach erfolgreicher Beruhigung wieder entzogen. Grund dafür ist aber, wenn ich ehrlich bin, nicht das mit der Reizüberflutung, sondern die Erinnerung an den elenden Frust von gestern morgen, als ich eine Stunde lang nach Kräften eingeschläfert hatte und dann auf Hanna's Schlaf-Täuschungsversuch hereingefallen war; weil ich vom Wiege-Wackeln langsam aber sicher auf einen Tennisarm zusteuere; und weil ich das Fönrauschen (und dessen Auswirkungen auf die Akkulaufzeit meines Handys) gründlich satt habe. Und siehe da: Handyfön und Wiege kamen nur 5 Minuten zum Einsatz, die Kleine hat ungefähr eine halbe, dreiviertel Stunde lang geschlafen und war den Rest der Zeit eigentlich ganz ruhig. Und ich bin auch deutlich entspannter und wenn Jan gleich aufsteht (er hat die Spätschicht von 23 - 5 Uhr und ich die Frühschicht von 5 - 11 +X) empfängt ihn ausnahmsweise mal kein nervliches Wrack.

Und deswegen kann ich jetzt auch auf die schönen Seiten zu sprechen kommen! Die geraten zwar manchmal -oft!- in Vergessenheit, aber es gibt sie, und zwar eigentlich ständig und immer wieder! Zum Beispiel ist jedes Lächeln von Hanna so, als würde die Sonne durchkommen- hört sich kitschig an, ist aber so. Oder wenn sie nach dem Fläschchen auf einem einschläft und man alle Zeit der Welt (naja, zumindest 1 - 2 Stunden) hat, um sie sich anzugucken- ich bringe es dann auch nicht über mich, sie in die Wiege zu legen; wenn sie auf mir einschläft -was sowieso nicht mehr so oft passiert- dann bleibt sie da. Oder wenn sie nach einer ordentlichen Mahlzeit in's Milchkoma fällt und dabei einfach nur total geplättet aussieht. Oder wenn man sie auf dem Schoß sitzen hat und versucht, ein Bäuerchen aus ihr herauszuklopfen- dabei hat sie Gesichtsausdrucke (Gesichtsausdrücke??), daß man einfach lachen muß, egal wie müde oder genervt man ist. Oder wenn dieses winzige Etwas ein Bäuerchen raushaut wie ein Mallorcaurlauber nach dem ersten Frühstücksbier*. Oder wenn sie beim Windel wechseln total fasziniert das Mobile über ihrem Kopf anstarrt und man förmlich dabei zusehen kann, wie ihr Gehirn das zu verabeiten versucht. Oder wenn man sieht, daß sie den Schnuller verloren hat, aber nach Kräften versucht, ihn sich wieder zurückzuangeln, auch wenn er in ihrem Ohr steckt. Oder wenn man sich daran zurückerinnert, wie unruhig und nervös Hanna war, als wir sie aus dem Krankenhaus geholt haben, und einem auffällt, wie gelassen sie mittlerweile dank unserer Zuwendung geworden ist. Solche Momente sorgen dafür, daß ich bei allem Stress, bei aller Unsicherheit und aller Müdigkeit noch kein einziges Mal bereut habe, daß Hanna da ist. ... jedenfalls nicht wirklich. ;-)


* Dieser Spruch ist aus dieser Amazon-Rezension geklaut.